Christopher Jung stellte dortmund1826.de im Rahmen eines Roland-Online-Vortragsabends vor! Ein Teilnehmer des Roland-Online-Vortragsabends am Dienstag, dem 18. Oktober 2022 brachte es auf den Punkt: "Ich wünschte, meine Heimatstadt hätte einen Herrn Jung!" Die Vorstellung des Dortmunder Urkatasters von 1826 als ein online für jeden Interessierten kostenlos nutzbares Portal auf dortmund1826.de löste beim internationalen Teilnehmerkreis eine wahre Begeisterung aus. Der Entwickler der Dortmunder Online-Urkatasterkarte, Christopher Jung, führte sein Online-Publikum zunächst durch die Geschichte des Dortmunder Urkatasters, das seinerzeit von den Franzosen initiiert wurde und zum Grundstein für das heutige Katasterwesen wurde. Er stellte nicht nur die Karte vor, sondern zeigte auf, wie die Vermesser damals die einzelnen Grundstücke messtechnisch erfassten und welche Unterlagen dazu angefertigt wurden. Im Falle des Dortmunder Urkatasters konnte der Referent durch die Zuverfügungstellung der alten Katasterunterlagen aus dem Stadtarchiv Dortmund und aus dem Landesarchiv NRW Informationen zu zehntausenden von Flurstücken im Stadtgebiet Dortmund zusammenstellen. Diese Informationen setzte er mit Hilfe einer selbst geschriebenen Software zu einem kostenfrei nutzbaren Online-Auskunftssystem zusammen, das im Internet unter der Adresse dortmund1826.de aufrufbar ist. Nach den allgemeinen Erläuterungen führte der Entwickler und Referent durch die Online-Karte und zeigte auf, welche Informationen man durch das Zoomen in der Karte und durch die Nutzung der Suchfunktionen über die Grundstücke von 1826 und ihre Eigentümer in Erfahrung bringen kann. Ob der unglaublichen Arbeit und der Qualität des Ergebnisses, kam nicht nur unter denjenigen, deren Vorfahren aus Dortmund kamen, große Begeisterung auf und man sehnte sich danach, dass es so ein Meisterwerk auch für das gesamte Gebiet Deutschlands gäbe. Im Anschluss an der Vorführung von dortmund1826.de erläuterte Christopher Jung noch seine Pläne für die zukünftige Weiterentwicklung und bot dabei auch an, seine Software und seine Hilfe für andere Interessierte frei zugänglich zu machen, damit diese solche Kartenprojekte auch für ihre Wohnorte oder die Herkunftsorte ihrer Vorfahren entwickeln können. Voraussetzungen: Es soll nichtkommerziell bleiben und die an der Arbeit Interessierten müssen "eine gehörige Portion Wahnsinn" mitbringen.
"Ich wünschte, meine Heimatstadt hätte einen Herrn Jung!". Der begeisterte internationale Teilnehmerkreis des Roland-Online-Vortragsabends auf "zoom" hofft darauf, dass sich viele "Herren Jung" finden mögen, die unter Mithilfe des Entwicklers ein "Startup" für die Erfassung und Online-Darstellung weiterer Gebiete bilden. Der Roland zu Dortmund möchte sich noch einmal sehr herzlich bei Christopher Jung für diesen begeisternden Vortragsabend bedanken. Die Aufzeichnung des Online-Vortrages "dortmund1826.de und die Möglichkeiten des Urkatasters in der Heimatforschung" mit Christopher Jung kann auf dem YouTube-Kanal des Roland zu Dortmund unter folgendem Link aufgerufen werden: https://youtu.be/hqxsmLCJqKc
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„AhnenImplex“ ist ein leistungsstarkes Genealogieprogramm für Windows, mit dem das doppelte oder mehrfache Auftreten von Vorfahren in einer Ahnentafel („Ahnenschwund“ oder besser: „Ahnengleichheit“ oder „Ahnenimplex“) analysiert werden kann. Es berechnet alle theoretisch zu erwartenden biologischen und statistischen Kennwerte (auch für die Seitenverwandtschaft) auf der Grundlage der „Quantitativen Genealogie“ von Siegfried Rösch (1899 – 1984) und kann diese in Form von Grafiken und Tabellen ausgeben. „AhnenImplex“ wird vom Entwickler freundlicherweise kostenlos zur Verfügung gestellt und kann ab sofort von der TNG-Homepage des Roland zu Dortmund e.V. heruntergeladen werden. – ACHTUNG: Fragen zum Programm bitte NICHT an den Programmentwickler oder den Roland, sondern ausschließlich an Weert Meyer, den Autor des Handbuchs, richten (Weert[at]gmx[dot]de)! Auch komplexere Ahnentafeln können mit „AhnenImplex“ kompakt und übersichtlich grafisch dargestellt werden. Die Beschriftung der einzelnen Ahnen kann frei gewählt werden, neben den Ahnennummern nach Kekule (wie in der Abb.) können auch Namen, Lebensdaten und -orte sowie biologische und statistische Kennzahlen eingefügt werden. (Die Ahnentafel wird dadurch aber breiter.) In jeder ausreichend erforschten Ahnentafel (AT) taucht aus biologischer Notwendigkeit früher oder später das Phänomen des „Ahnenschwunds“ (oder besser: „Ahnengleichheit“ oder „Implex“) auf. In dynastischen Ahnentafeln ist dies schon oft nach wenigen Generationen der Fall. Ahnenimplex tritt aber auch in bürgerlich-bäuerlichen Ahnentafel auf, insbesondere bei hohem Erforschtheitsgrad und in Gebieten mit engen Heiratskreisen. Verzichtet man bei der Darstellung auf die Regel „Männer links, Frauen rechts“, lassen sich Ahnentafeln noch kompakter darstellen. „Auslöser“ für das Vorkommen von Mehrfachahnen (MFA) sind immer sog. „Ahnengeschwister“, also zwei oder mehr Geschwister, die direkte Vorfahren des/der Probanden/-in sind und deren Nachfahren in späteren Generationen wieder untereinander geheiratet haben. Diese Verwandtenehen ereignen sich oft erst nach mehreren Generationen, der Ahnenimplex tritt jedoch stets erstmals in der Elterngeneration der Ahnengeschwister auf (primärer Implex). Die Benutzeroberfläche von „AhnenImplex“ mit eingelesener GEDCOM-Datei. Für einen Probanden werden diese „Ahnengeschwister“ in einer sog. „Verschwisterungsliste“ (VSL) zusammengestellt. Diese VSL beschreibt das Vorkommen aller seiner Mehrfachahnen in seiner Ahnentafel eindeutig. (Eine VSL ist aber „probandenspezifisch“, nur Vollgeschwister haben die gleiche VSL. Schon für Halbgeschwister sind deren VSL verschieden.) Mit „AhnenImplex“ Verwandtschaft messbar machen Das hier vorgestellte Programm „AhnenImplex“ kann das Mehrfachvorkommen von Ahnen in einer Ahnentafel und alle biologischen und statistischen Kennwerte (auch für die Seitenverwandtschaft) auf der Grundlage der „Quantitativen Genealogie“ von Siegfried Rösch (1899 – 1984) berechnen und grafisch darstellen. Berechnet werden können neben der Verschwisterungsliste u.a. alle Kekule-Nummern für einfache Ahnen und Mehrfachahnen, die Häufigkeit von Mehrfachahnen (Ahnenhäufigkeit z), der Inzuchtkoeffizient F (der aus dem biologischen Verwandtschaftsanteil b der Eltern folgt), der summarische Verwandtschaftsgrad sowie Kennwerte für den Ahnenimplex pro Generation und den Gesamtimplex. Auch separate Berechnungen nur für den X-chromosomalen Erbgang sind möglich. „Generationsverschiebungen“ von Mehrfachahnen lassen sich über sog. „Generationsspektren“ veranschaulichen. Auszug aus einer Ahnentafel; dargestellt sind nur die X-chromosomalen Ahnenlinien: Die weibliche Probandin (1, XX) hat jeweils ein X-Chromosom von Vater (2, XY) und Mutter (3, XX), der Vater (2, XY) kann jedoch sein X-Chromosom nur von seiner Mutter (5, XX) erhalten haben, die Linie des Großvaters väterlicherseits (4) fällt für die Vererbung des X-Chromosoms also aus, usw. In den Grafiken erscheinen Mehrfachahnen immer nur als eine Person, sie sind durch die Angabe aller Ahnennummern aber sofort als Mehrfachahnen erkennbar. Dadurch wird die klassische „Baumstruktur“ einer Ahnentafel aufgehoben, und die Ahnentafel ist als das zu sehen, was sie wirklich ist: Ein „Ahnennetz“. Ausgegeben werden u.a. Vor- und Nachfahrentafeln sowie Kreisdiagramme, die Beschriftung kann jeweils individuell ausgewählt werden (nur Ahnennummern oder zusätzlich Vor- und Zuname, Lebensdaten, Orte oder statistische Kennwerte). Mit „AhnenImplex“ erzeugtes Kreisdiagramm (ohne Beschriftung) von Charles III. über 10 Ahnengenerationen. Mehrfachahnen (Implex) können automatisch gelb markiert werden. Kreisdiagramme können für beliebig viele Ahnengenerationen erzeugt werden. „Ahnengleichheit“ sichtbar machen Auch Auszüge aus einer Ahnentafel lassen sich zur besseren Darstellung des Implex‘ erzeugen: Zu nennen sind hier die grafische Darstellung sog. „geschlossener Heiratskreise“ (aus der sich die Verschwisterungsliste des Probanden ablesen lässt) sowie die Darstellung sog. „Deszentorien“ (also Auszüge aus der Ahnentafel, die alle (aber nur die) Nachfahrenlinien eines Mehrfachahnen zum Probanden enthalten). Beispiel für ein Deszentorium: Charles III. als Nachfahre seines Mehrfachahns (z = 4) Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1750 -1806), der sowohl der Großvater von Queen Victoria als auch der Großvater ihres Ehemanns Albert von Sachsen-Coburg war. Ahnengeschwister sind farblich markiert. Die von „AhnenImplex“ ausgegebenen png-Dateien können mit Grafikprogrammen wie z.B. Paint weiterverarbeitet werden; in dem Beispiel oben wurden z.B. die Ahnengeschwister nachträglich farblich markiert sowie Porträts und eine Überschrift eingefügt. (Vgl. dazu den Roland-Blogbeitrag „Eine ‚komprimierte‘ Ahnentafel als Wandschmuck“ vom 20.06.2021.) Die biologischen und statistischen Kennwerte Neben den umfangreichen grafischen Ausgabemöglichkeiten bietet „AhnenImplex“ auch die Möglichkeit, alle biologischen und statistischen Kennwerte der Verwandtschaft zu berechnen (einschließlich der Seitenverwandtschaft oder nur bezogen auf die X-chromosomale Verwandtschaft); die Ausgabe erfolgt in Form von Excel-Tabellen (die OpenOffice-Alternative Calc funktioniert nicht). Zu den personenbezogenen Kennwerten (immer bezogen auf den ausgewählten Probanden) gehören u.a. die kleinste Ahnennummer nach Kekule (Kekule-Min), die Ahnenhäufigkeit z, der mittlere biologische Verwandtschaftsanteil b (als Dezimalbruch kleiner 1, entspricht dem Verwandtschaftskoeffizienten R nach Wright bzw. dem doppelten Inzuchtkoeffizienten F, da R = 2F), das Generationsspektrum gb (auch ausführlicher biologischer Verwandtschaftsgrad genannt), der summarische biologische Verwandtschaftsgrad g’b (ermöglicht den Vergleich der theoretisch zu erwartenden Erbwirksamkeit eines Mehrfachahnen in einer bestimmten Generation mit der Erbwirksamkeit eines einfachen Ahns in einer bestimmten Generation) und der Schwerpunktwert des biologischen Verwandtschaftsgrades gbs. (Zur genaueren Bedeutung und Interpretation dieser Kennwerte aus der „Quantitativen Genealogie“ muss auf das Handbuch zum Programm von Weert Meyer und die unten angegebene Literatur verwiesen werden.) Die personenbezogenen Kennwerte werden von „AhnenImplex“ als Excel-Tabelle ausgegeben. So kann z.B. aus dieser Tabelle abgelesen werden, dass Friedrich I. von Brandenburg (1371 – 1440) 8.261 Mal (Ahnenhäufigkeit z) ein direkter Vorfahre von Charles III. ist und in der Ahnentafel von Charles III. ebenso viele Ahnennummern hat (seine kleinste Ahnennummer (Kekule-Min) ist 55.810). Als Mehrfachahn tritt bei ihm eine Generationsverschiebung auf, die am Generationsspektrum gb abgelesen werden kann: Er ist 3x in der 15., 48x in der 16., 490x in der 17., …, 118x in der 22. und 8x in der 23. Ahnengeneration ein direkter Vorfahre von Charles III. (Die Summe dieser Häufigkeiten ergibt wieder z = 8.261.) In ähnlicher Form werden auch die generationsbezogenen Kennwerte ausgegeben und geben Aufschluss über den Ahnenimplex pro Generation (ik) und den Erforschtheitsgrad einer Ahnentafel. Näheres dazu kann im ausführlichen Handbuch (140 S.) von Weert Meyer nachgelesen werden, das ebenfalls auf der TNG-Homepage des Roland zu Dortmund e.V. als pdf-Dokument heruntergeladen werden kann. Weert Meyer steht auch freundlicherweise für Nachfragen zum Programm zur Verfügung. Ein Programm mit einer langen Geschichte Das von Martin Jülich programmierte Programm geht auf eine Anregung von Arndt Richter zurück, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit der „Quantitativen Genealogie“ Röschs beschäftigt und sie 1979 auch um den X-chromosomalen Erbgang und die X-chromosomale Verwandtschaft erweitern konnte. Bereits 1987 schrieb er nach dem Genealogentag in Kaiserslautern in einem Aufsatz:
Fazit „AhnenImplex“ ist ein komplexes Programm, das eine gründliche und intensive Einarbeitung erfordert und ohne ausreichende Kenntnisse der Quantitativen Genealogie in Teilabschnitten des Programms nicht intuitiv bedienbar ist. Eine genaue Lektüre des Handbuchs und ggfls. auch der unten angegebenen Literatur wird daher empfohlen. Die Berechnungs- und grafischen Darstellungsmöglichkeiten von „AhnenImplex“ sind jedoch einzigartig und werden derzeit von keinem anderen Genealogieprogramm geboten. ACHTUNG: Literaturempfehlungen
[Hu] Zum Teilnehmen bitte auf eines der beiden Bilder klicken. Mit der Teilnahme an dieser Online-Veranstaltung akzeptieren Sie die Datenschutzrichtlinien von "zoom". Der Einlass in den zoom-Meeting-Raum beginnt um 18.30 Uhr.
Interessierte kamen aus Nah und Fern! Ausstellungstisch mit Informationen zum Roland zu Dortmund und dessen Projekte. Zum zweiten Mal nach zweieinhalb Jahren Corona-Pause trafen sich wieder Genealoginnen und Genealogen im Center für Familiengeschichte in Dortmund, um in der "Roland-Werkstatt für Familienforschung", Dortmunds beliebtem Ahnenforschertreff, an ihrer Familienforschung zu arbeiten, Fragen zu stellen, Tipps und Hilfen in Anspruch zu nehmen oder mit ihrem Wissen anderen Anwesenden zu helfen. Dabei standen uns am Freitag, dem 23. September 2022 auch wieder die vielen Forschungsmöglichkeiten des Centers für Familiengeschichte zur Verfügung, unter anderem ein kostenfreier Zugriff auf die großen genealogischen Internetportale "Ancestry", "MyHeritage" und "Geneanet" und nur dort einsehbare digitalisierte Forschungsquellen. Das Kirchenbuchportal der Evangelischen Landeskirchen Deutschlands, "Archion", stellte dem Roland zu Dortmund für den Abend ebenfalls einen kostenfreien Zugriff auf die darin enthaltenen digitalisierten Kirchenbücher zur Verfügung. Dortmunds beliebter Ahnenforschertreff zieht auch in der Präsenz-Variante Interessierte aus der Ferne an. So konnte die Roland-Vorsitzende Angela Sigges auch Interessierte aus Ostwestfalen begrüßen.
Das Spektrum der abgearbeiteten genealogischen Themen war groß. Ob es nun die Suche nach dem Kirchenbucheintrag der Urgroßmutter in Archion war, das Auffinden von Informationen über Auswanderer in den USA, der Frage, ob es ein Familienwappen einer gräflichen Linie gab oder zur Nutzung von Genealogie-Software, jeder kümmerte sich um jeden in einer freundlichen, entspannten und familiären Atmosphäre. Gerade diese Atmosphäre zeichnet die Treffen des Roland seit vielen Jahren aus. Erstbesucher erhielten auch eine Führung durch das Center für Familiengeschichte Dortmund. Die Kooperation der Genealogisch-heraldischen Arbeitsgemeinschaft Roland zu Dortmund e. V. mit dem Center ist ein Glückfall, vom dem alle Beteiligten, vor allen Dingen die Familienforscherinnen und Familienforscher profitieren. Der Roland kann nicht nur die hervorragenden Räumlichkeiten nutzen, sondern auch vielfältige Forschungsmöglichkeiten und -quellen, die nur in den Centern einsehbar sind. So ging gegen 21.00 Uhr wieder ein wunderbarer Ahnenforschertreff mit vielen Forscherfreundinnen und -freunden zu Ende, von dem alle profitierten. Die nächste "Roland-Werkstatt für Familienforschung in Präsenz" findet am Freitag, dem 28. Oktober 2022 von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr im Center für Familiengeschichte Dortmund, Carl-von-Ossietzky-Straße 5, 44225 Dortmund-Brünninghausen, statt. Jeder Interessierte ist zu dieser kosten- und mitgliedschaftsfreien Roland-Veranstaltung eingeladen. Die Genealogie beschäftigt sich mit relativ kleinen und überschaubaren soziologischen Einheiten: Den Familien und ihren verwandtschaftlichen Verflechtungen über die Generationen. Familienforscher/-innen betreiben daher stets „Mikrogeschichte“, indem sie einerseits bestrebt sind, ihren „Stammbaum“ stetig zu erweitern, andererseits aber auch versuchen, die erforschten Ahnen und deren Familien in einen zeitgeschichtlichen Kontext einzubinden. Wie spannend und beeindruckend so etwas zu lesen sein kann, zeigt die britische Wirtschaftshistorikerin Emma Rothschild in ihrem neuen Buch „Eine Hochzeit in der Provinz“, einer Suche nach den Spuren der Familie Aymard über zwei Jahrhunderte europäischer Geschichte. Emma Rothschild (2022). Eine Hochzeit in der Provinz. Die Spuren der Familie Aymard über zwei Jahrhunderte europäischer Geschichte. Darmstadt: wbg Theiss. (Aus dem Englischen von Tobias Gabel und Jörn Pinnow, 496 S. mit 15 s/w-Abb., 14,5 x 21,5 cm, geb. mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-8062-4443-4; 32,- €, als Epub oder pdf 25,99 €). (Bild: wbg Theiss) Die großen geschichtlichen Prozesse und Strukturen, Kriege, Schlachten, politische Systeme, Hungersnöte, Migrationsbewegungen usw., prägen zweifellos das Leben des Einzelnen. Umgekehrt lässt jedoch auch eine genaue und detaillierte Analyse der Lebensumstände eines Individuums und seines familiären Umfelds Rückschlüsse auf größere historische Zusammenhänge zu, ja macht sie oft erst konkret greif- und verstehbar. Geschichte wird also aus dieser Perspektive „von unten“ geschrieben, ganz im Sinne Heinrich Heines (1797 - 1856), der in seinen Reisebildern (Kap. 67) schrieb: „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte“. Als Carlo Ginzburg und Carlo Poni 1979 auf einer Konferenz in Rom das „Programm der Mikrogeschichte“ vorstellten, hatte Ginzburg bereits gezeigt, wie so etwas aussehen kann: 1976 war sein Buch „Der Käse und die Würmer“ (Il formaggio e i vermi) erschienen, die detaillierte Darstellung der Lebensgeschichte und des Weltbildes des italienischen Müllers Domenico Scandello, genannt Menocchio (1532 – 1599). Es war ein Buch, das die Geschichtsschreibung revolutionierte. Das Buch … In dieser Tradition steht auch Emma Rothschilds „Hochzeit in der Provinz“. Ausgangspunkt ist ein Ehevertrag mit 83 Unterschriften vom 9. Dezember 1764, den die Witwe Marie Aymard (1713 – 1790) für ihre Tochter Françoise Ferrand (1740 – 1805) aufsetzen ließ – sie selbst konnte nicht schreiben. Ort des Geschehens ist Angoulême im Südwesten Frankreichs. Erzählt werden nun die Geschichten dieser 83 Personen, die vor über 250 Jahren ihre Unterschriften auf dem Dokument hinterließen – und nahezu alle sind sehr spannend zu lesen. 1. Seite des „Ehevertrags von Etienne Allemand und Françoise Ferrand,“ Archive des Departements Charente, 2E153, vom 9. Dezember 1764. (Bild: An Infinite Story) Ergänzt wird das Buch durch
Nachfahrentafel von Marie Aymard und ihres verstorbenen Ehemanns Louis Ferrand. (Bild: An Infinite Story) Die Homepage … Eine Homepage zu dieser „Unendlichen Geschichte“ („An Infinite History“, so der Titel des Buches im englischsprachigen Original) liefert weiteres Hintergrundmaterial, u. a. eine Karte mit einigen der Orte, an denen Marie Aymard und ihre Nachkommen lebten oder sich aufhielten, sowie eine kleine Galerie von Familienfotos, darunter Bilder der einzigen zwei Ur-Ur-Enkel Marie Aymards, von denen eine bildliche Darstellung erhalten geblieben ist. Homepage zum Buch: "An Infinite Story" (Bild: Screenshot) Genealogisch interessant ist auch die grafische Visualisierung des sozialen Netzwerks der Unterzeichner des Heiratsvertrags sowie der sozialen Netze von Angoulême im Jahr 1764. So werden z. B. in einer Grafik die 505 Geburten, 327 Sterbefälle und 122 Eheschließungen des Jahres 1764 als soziales Netz dargestellt. Ausschnitt aus der Netzwerk-Grafik mit 505 Geburten, 327 Sterbefällen und 122 Eheschließungen des Jahres 1764 in Angoulême. (Bild: "An Infinite Story") Es lohnt sich in jedem Fall, auf dieser Homepage zu stöbern – und evtl. diese Geschichte auch fortzuschreiben. Dementsprechend heißt es auch auf der Homepage:
Die Autorin … Emma Georgina Rothschild-Sen (* 1948) kann selbst auf eine spannende Familiengeschichte zurückblicken: Sie ist eine Tochter des Biologen und Geheimdienstmitarbeiters Baron Victor Rothschild (1910 – 1990) und Enkelin des Bankiers, Entomologen und Naturschützers Charles Rothschild (1877 – 1923), stammt also aus der berühmten Rothschild-Dynastie, deren Mitglieder sich in Deutschland ab 1500 urkundlich belegen lassen. 1991 heiratete sie den Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Amartya Sen. Emma Rothschild. (Bild: Wikimedia Commons. Von Fronteiras do Pensamento - Emma Rothschild, historiadora da economia, Professora em Harvard, esposa de Amartya Sen, CC BY-SA 2.0) Sie war Professorin an der University of Cambridge und der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) in Paris, seit 2008 ist sie Jeremy and Jane Knowles Professor of History an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts. 2022 gewann ihr Buch „Eine Hochzeit in der Provinz“ den PROSE Award für Europäische Geschichte. Damit werden seit 1976 jedes Jahr Autoren/-innen, Herausgeber/-innen und Verleger/-innen geehrt, die mit ihren bahnbrechenden Werken bedeutende Fortschritte in ihren jeweiligen Fachgebieten erzielt haben. Fazit ... Ein großartig recherchiertes Buch, das zudem noch spannend geschrieben ist. Und für Genealogen/-innen ein Beispiel, wie sich vielleicht auch die eigene Familienforschung ansprechend aufbereiten lässt. Klare Leseempfehlung! Literaturtipps zum Weiterlesen
Eine ausführliche Bibliografie von Werken zum Thema „Mikrogeschichte“ ist auf der Homepage „Microhistory Network – History under a microscope“ zu finden. [Hu] |
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